Paderborn. Weißer Elefant am Tatort Fußgängerzone!


Firmenschilder, Pflanzkübel, Stadtmobiliar: Künstler Markus Ambach macht daraus eine Skulptur

Sicher, so ein weißer Elefant ist faszinierend, doch sein Besitz ist folgenreich: Im alten Thailand, so heißt es, schenkte der König in Ungnade gefallenen Höflingen das seltene Tier. Dessen kostspieliger Unterhalt trieb sie in den Ruin. Heute nennt man manche Großprojekte, die mehr kosten als nützen, einen „White Elephant“. Was hat der mit der Paderborner Fußgängerzone zu tun?
„White Elephant“ heißt die Skulptur, die der Düsseldorfer Künstler Markus Ambach für das temporäre Kunstprojekt TATORT PADERBORN erstellt. Vor der Filiale eines Bekleidungsgeschäftes führt er allseits bekanntes Stadtmobiliar – vom Firmenschild bis zum Pflanzkübel – zusammen. Ein „Denk-Mal“?

Gedanken zur deutschen Fußgängerzone
von Markus Ambach

Ein Auszug aus dem Katalogtext
Einkaufsstraßen zeigen überall ein ähnliches Bild: Werbetafeln und Hinweisschilder, Wegweiser und Verkehrszeichen bilden einen undurchdringlichen Schilderwald, der die Städte mancherorts hinter sich verschwinden läßt. Bänke und Pflanzkübel, Papierkörbe und Verkaufsautomaten, Straßenbeleuchtung und sonstige, mehr oder weniger wichtige Accessoires, dekorieren den öffentlichen Raum, auch um ihn nutzbar zu gestalten. Dabei entgeht denen, die ökonomisch zielführende Werbebotschaften in die Stadt bringen, oft, daß es sich auch bei der Fußgängerzone einer Innenstadt um einen „öffentlichen Raum“ handelt, der eigentlich der Stadtgesellschaft gehört.

Wem gehört die Stadt?
Die schöne und oft gestellte Frage „Wem gehört die Stadt?“ wird also in der Fußgängerzone eher brachial beantwortet. Ökonomische Interessen stehen im Vordergrund, Werbebanner und mobile Displays der Ladenlokale, Firmen und Dienstleistungsbetriebe wuchern von den angestammten Ladenlokalen aus, mal langsam aber stetig, mal forsch und frech über das angemietete Terrain hinaus, um den Claim des jeweiligen Anliegens sukzessive auszuweiten.
Mit Pflanzkübel und Co. werden ganze Terrassen und Terrains abgesteckt, privatisiert und der öffentlichen Hand ganz ohne Gegenwehr entzogen. Fahrende Händler bevölkern besonders zur Weihnachtszeit in ausufernden Märkten und Budenstädten die Citylage, so dass ein Weihnachtsmuffel keine Chance hat, dem schweren Duft von Zimt und Glühwein zu entgehen.
Bei all den Angeboten sehnt sich der Passant nach einer Pause. Öffentliche Sitzbänke und Verweilgelegenheiten, die meist eher uncharmant inszeniert sind, bieten dazu kostenlos Gelegenheit. Natürlich nur dem Kaufkräftigen.

Wo bleibt der Freiraum der Stadtgesellschaft?
Dass dieser vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht, ist nachvollziehbar. Der „Bürgersteig“, das Trottoire, der letzte öffentliche Freiraum der Stadtgesellschaft, der noch nicht vermietet und verpachtet ist, ist einem erheblichen Privatisierungsdruck ausgesetzt, der vergessen macht, daß die Straße uns gehört und unter ihr der Strand liegt. Die großen historischen Potenziale des öffentlichen Raums als der Ort, an dem die Stadtgesellschaft sich austauscht, ihre Aufstände probt und manchmal auch durchführt, ist zum verlängerten Arm der Shoppingmall geworden. Kultur und Co. verschwinden im großen Stadtmöblierungskanon der Einzel- und Verkaufsinteressen, Architektur wird zum Schilderhalter und der öffentliche Raum zur Durchschnaufpause für den gestressten Kaufklienten.

Exotische Leuchtreklame als Markenzeichen
Im Asienurlaub liebt man die Garküchen und fliegenden Händler, die improvisierten Geschäftchen und illusteren Displays auf den virulent fluktuierenden Straßen. Die Leuchtreklamen, mit denen die Wolkenkratzer förmlich tapeziert sind, sind ein Markenzeichen Tokyos und der Schilderwald wird zum pittoresken Fotomotiv, wenn nur chinesische Zeichen ihn zieren. Sind wir also kulturell geübte Verteidiger des guten Geschmacks, konservative Sittenwächter der ordentlichen Ordnung oder Freigeister des wirklich öffentlichen Raums, wenn wir die Stadtmöblierung verdammen und auf einen großen Sperrmüllhaufen wünschen? Ist dieser Haufen ein Exzess, der die lokale Praxis geißelt und sich eine bereinigte Stadt wünscht, in der Architektur, Kunst und Kultur unverbaut sichtbar werden? Oder eine subtile Frage, ob all das, was da so herumsteht, nur eine lokale und vielleicht nicht ganz so gut gelungene Version des schönen Scheins von Tokyo ist, den die Asiaten einfach besser drauf haben? „White Elephant“…

Beitragsbild: Erster Entwurf der Skulptur „White Elephant“ von Markus Ambach