Die Künstlerin Claudia Brieske verbindet für „Tatort Paderborn 2014“ den Dom mit einem Parkhaus
Bei ihrem ersten Besuch in Paderborn blieb der Blick der Berliner Künstlerin Claudia Brieske an der Ein-und-Ausfahrt einer Tiefgarage hängen. Was sicherlich nicht zu den klassischen Sehenswürdigkeiten der Paderborner Architektur gehört, inspirierte sie zu „einatmen : ausatmen. Breathing is a business like everything else“. Diesen Titel trägt die zweigeteilte Installation, die sie für das Projekt „Tatort Paderborn“ im Auftrag des Diözesanmuseums Paderborn verwirklicht.
Verortet ist Claudia Brieskes Arbeit am Ausläufer der Paderborner Fußgängerzone. Der Paderborner Dom wird von einer Senke umgeben, die dadurch entstand, dass der Domplatz sich auf einem ehemaligen Friedhof erhebt. Dort installiert die Künstlerin eine mechanische Lunge, einer Pferdelunge nachempfunden, die sich passend zum Glockenschlag des Domturms jeweils 15 Minuten heben und 15 Minuten senken wird. Durch den Untergrund, und damit durch den Friedhof, führt sie eine imaginäre Linie oder Luftröhre zum Parkdeck des St. Vincenz Krankenhauses an der Kassler Straße. Dort findet sich der zweite Teil des Werkes mit der Videoprojektion eines Pferdes, das sich wälzt, aufsteht und wieder wälzt.
Wie sieht der Weg von der künstlerischen Idee bis zur Umsetzung bei einer so komplexen Arbeit mit vielen technischen Herausforderungen aus? Wir haben Claudia Brieske gefragt:
Für Ihre Videoinstallation haben Sie ein Pferd gefilmt. Die Idee eines „Pferdecastings“ ist eine spannende Vorstellung. Welche Vorzüge haben Sie ausgerechnet dieses Tier auswählen lassen?
In meiner Vorstellung bei der Entwicklung meines Konzeptes hatte ich das Bild eines klassischen Pferdekörpers – es sollte also kein kleines Pony sein oder auch kein „allzu mächtiger“ Kaltblüter. Es sollte genauso Kraft und Ausdauer verkörpern wie gleichzeitig auch eine gewisse Verletzlichkeit. Die Wälzbewegung könnte sowohl ein widerständiges Moment sowie auch eine Art „Unfall“ verkörpern. Seine Lunge ist ein Inbegriff für Höchstleistung, und das Pferd und seine Bewegung in diesem Fall auch ein Kontrapunkt zu den im Parkdeck abgestellten „stillgelegten“ Autos.
Bei der Suche nach dem Pferd hat mir der Landesverband Pferdesport Berlin-Brandenburg sehr geholfen. Die Leute dort haben mir das Gestüt Bon Homme in Werder/Haveland genannt, der dortige Stallmanager Nils Kortekamp hat schon eine Vorauswahl für mich getroffen, mir dann Hengste vorgestellt und wir haben uns auch für einen entschieden, der sehr lebendig ist und sich gerne wälzt. Mit Tieren zu filmen, ist ja auch so eine Sache: Sie machen nicht unbedingt immer das, was man von ihnen möchte, und Pferde können da sehr eigensinnig sein. Aber das erwählte Pferd war wirklich besonders, und der Dreh hat sehr viel Spaß gemacht.
Die Umsetzung der Idee einer atmenden Lunge in der Domsenke hält sicherlich zahlreiche technische Tücken bereit. Wie sind Sie daran gegangen?
Die Entwicklung des technischen Konzepts hat sehr lange gedauert. Es müssen sehr große Luftmengen rhythmisch bewegt werden, die Art der Steuerung und die Sensoren müssen wetterfest und verlässlich sein, und mein Kollege und Mitarbeiter Joost van der Velden hat im Vorfeld einige Modelle von Lungenflügeln gebaut, damit wir das Aufblasverhalten beobachten und testen konnten. Das war sehr wichtig, um ein Schnittmuster zu entwickeln, das auch mit der speziellen Architektur der Domsenke mit seiner gerundeten Mauer – die auch eine Analogie zu einem Thorax/einem Brustkorb hat – zusammen passt und bei der „Atmung“ mit dieser Architektur arbeitet. Zur Seite stand uns auch ein Ingenieur (Hartmut Welke aus Berlin), der in seiner Firma medizintechnische pneumatische Systeme für Kliniken entwickelt. Seine Erfahrung und seine Ratschläge waren sehr wichtig.
Aus welchem Material wird die Lunge sein? Es muss ja viel aushalten und auch wetterfest sein.
Wir haben uns nach vielen Materialtests für ein thermoplastisches Polyurethan (TPU) entschieden. Es ist ziemlich dehnbar, relativ leicht und wiederstandfähig.
Wo kann man so etwas fertigen bzw. fertigen lassen?
Nach vielen Recherchen haben wir uns für eine Firma in Wien entschieden. Die hat sehr viel Erfahrung mit der Produktion von aufblasbaren Körpern und hat mich und meine Vorstellungen, die Besonderheiten, die die Lungenflügel und ihre Bewegungen erfüllen sollen, sofort verstanden, obwohl sie sonst natürlich nicht so etwas Ungewöhnliches machen und eher für den Werbebereich produzieren.
Machen Sie einen Langzeittest oder gibt es Wartungstermine, damit alles genau so läuft, wie Sie es möchten?
Nächste Woche kommt die Lunge aus Wien nach Berlin und wir werden sie hier noch speziell beschichten und ausgiebige Tests mit den Schläuchen und Gebläsemaschinen machen. Wir haben, aber während der Tatort Paderborn läuft, auch immer eine Auge darauf, damit wir, wenn’s Probleme geben sollte, sofort kommen und neu justieren oder reparieren können.
Müssen Sie Kompromisse machen, da vielleicht manchmal rein praktische Gegebenheiten die Umsetzung Ihrer Ideen beschneiden?
Am besten ist es immer, so viele praktische Gegebenheiten und technische und sonstige Umstände während der Entwicklung der Idee zu wissen und miteinbeziehen zu können. Natürlich ergeben sich aber immer wieder aus dem Arbeitsprozess Dinge, die man vorher nicht absehen konnte oder Umstände, die sich ändern – gerade im öffentlichen Raum passiert das ja oft und natürlich auch mit meiner Arbeit in Paderborn. Es ist dann immer ein Balance-Akt zu entscheiden, was für Kompromisse man machen kann oder muss, ohne die Idee zu schwächen und wie festgelegt oder offen das Konzept für Veränderungen ist.
Das Gespräch führte Heike Haase.
Beitragsbild: Montage zu einatmen : ausatmen von Claudia Brieske (© Claudia Brieske)
Eine Antwort zu “Tief durchatmen!”
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